Flötenuhr von Carl Blessing, vor 1820

Im Jahre 1820 fand das Tüfteln des Carl Blessing seinen krönenden Abschluss.

Als Weiterentwicklung der Flötenuhr hatte er mit Unterstützung seines Bruders Martin ein Musikwerk entwickelt und zum Laufen gebracht, das später von der Fachwelt als das erste im Schwarzwald gebaute Orchestrion bezeichnet wurde.

Carl hatte damit Unterkirnach zur Wiege des Schwarzwälder Orchestrionbaues gemacht.

Von der Uhr zum Orchestrion
Schon 1789 nannte der Abt Joseph Vogler seine handangetriebene Orgel „Orchestrion“.

In der Folge wurden solche Geräte von einzelnen experimentierfreudigen Orgelbauern vervollkommnet und als automatisierte Einzelstücke gebaut. Das Ziel dabei war, mit diesen Wunderwerken von Stadt zu Stadt zu ziehen und als Schausteller damit Geld zu verdienen. Ob man „auf dem Schwarzwald“ diese Musikmaschinen kannte, sei dahin gestellt, jedenfalls nahm die Entwicklung hier einen besonderen eigenständigen Verlauf und die Beweggründe waren anders gelagert. Man wollte mit den Geräten nicht als Schausteller auftreten, sondern sie verkaufen und damit seinen Lebensunterhalt bestreiten.


Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurden vor allem in Teilen der heutigen Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald und Schwarzwald-Baar von unzähligen Kleinbetrieben Räderuhren aus Holz gemacht, der Beruf „Uhrenmacher“ war entstanden. Verkauft wurden die Produkte durch Uhrenträger, die als Hausierer unterwegs waren.
Durch gesunde Konkurrenz unter den Werkstätten und inspiriert durch Kundenwünsche, welche die Verkäufer von ihren Touren mitbrachten, entwickelte sich eine fortlaufende Qualitäts- und Komfortverbesserung der Uhren, die wegen ihres unschlagbar billigen Preises allerorten gefragt waren. So wurden aus einem Zeiger zwei und aus stummen Uhren solche mit aufgesetztem Glockenschlagwerk. Später entlockte ein auf eine kleine Holzpfeife aufgeklebtes Blasebälgchen dieser stündlich einen Ton. Zwei Pfeifen waren alsbald der Garant für die Popularität der Kuckucksuhr.
Die Phantasie der Tüftler kannte keine Grenzen und beim Bestreben, die Uhren kleine Melodien spielen zu lassen, besann man sich der Serinette, sogenannte Vogelorgel, die ab ca. 1780, durch Gewichtsantrieb automatisiert, den Kanarienvögeln das Singen beibrachte. Die vielen Flöten dieser Instrumente saßen auf der Windlade, welche von einem gewichtsbetriebenen Blasebalg mit Druckwind versorgt wurde. Programmträger war die Stiftwalze.
Aus der Kombination von Serinette und Räderuhr in einem Kasten wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Flötenuhr. Diesen Schritt konnten nur die besten Meister gehen, die sich dann bald von der normalen Uhrmacherei abhoben. Die kleine Gruppe war von dem Ehrgeiz beflügelt, immer umfangreichere Musiken auf die Stiftwalze zu programmieren. Einzelne, unter ihnen die Unterkirnacher Carl und Martin Blessing, verzichteten schließlich ganz auf die Uhr und hatten somit, ohne das Gehäuse erheblich zu vergrößern, mehr Platz für den Musikteil.
Schließlich gelang es Carl Blessing im Jahre 1820 in seiner Werkstatt auf dem Salvest, einer kleinen Anhöhe oberhalb der Ruine Kirneck, sein „Musikwerk“ zum Laufen zu bringen. Später, vermutlich nach 1850, wurde dieses Ergebnis zähen Ehrgeizes und Erfinderwillens von der Fachwelt als erstes „Schwarzwälder Orchestrion“ bezeichnet. Damit ging Unterkirnach in die Geschichtsschreibung einschlägiger Literatur unangefochten als Wiege des Schwarzwälder Orchestrionbaues ein.